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Fachbeitrag

Mäzenatentum als Form privater Kulturförderung - Fachbeitrag Causales

„Der größte Kulturfinanzierer in Deutschland ist der Bürger.“1 Diese Bemerkung Gitta Connemanns, Bundestagsabgeordnete und ehemalige Vorsitzende der Enquête-Kommission „Kultur in Deutschland“, verschiebt das in Deutschland gängige Bild, demzufolge Gemeinden, Länder, Bund und Europäische
Union als wesentlichste Förderer von Kultur auftreten. Bürgerschaftliches Engagement wird vor diesem Hintergrund nur in einer Ergänzungsfunktion wahrgenommen. Tatsächlich aber nimmt selbiges nach dem Beitrag der Kulturwirtschaft den zweiten Rang in der Finanzierung von Kultur in Deutschland ein. Genaue Zahlen sind für die private Kulturförderung2 schwer zu ermitteln; weder erfolgt eine regelmäßige Erfassung der Spendentätigkeit, noch eine verbindliche oder amtliche Dokumentation. Für das Jahr 2006 konnte das Maecenata Institut dennoch Werte zwischen 10,179 und 19,308 Milliarden Euro an jährlicher privater Kulturförderung in Deutschland nachweisen.3

Eine Sonderform bürgerschaftlichen Engagements ist das Mäzenatentum, das auf den Etrusker Gaius Clinius Maecenas (ca. 70 – 8 v. Chr.) zurückgeht. Der Begriff benennt die Unterstützung und Förderung vorrangig von Künstlern, kulturellen Einrichtungen und Projekten über Geld oder Sachspenden durch einen Gönner, ohne die Erwartung eines ökonomischen oder persönlichen Nutzens als Gegenleistung.4 Selbstlosigkeit, Freiwilligkeit und ein weitgehend informeller Rahmen sind weiterhin Merkmale des Mäzenatentums in seinem originären Verständnis.5

Lange war das Mäzenatentum die einzige Form von Kulturförderung – heute bezeichnet es ein aussterbendes Betätigungsfeld. Andere, neuere Möglichkeiten privater Kulturförderung lassen mäzenatische Spenden selten werden. Diese in konkreten Zahlen darzustellen ist kaum möglich – wer sein Engagement nicht ohnehin gänzlich der Diskretion unterwirft, der schweigt für gewöhnlich zumindest zu Zahlen und Summen.

Die Familie Otto, Begründer und Inhaber des gleichnamigen Hamburger Versandhauskonzerns, investiert im Verborgenen Millionen in Kunst und Gesellschaft: Michael Otto engagiert sich stark über seine Stiftungen, 2008 wurde er dafür mit der „Medaille um das Stiftungswesen“ ausgezeichnet. Sein Vater Werner Otto spendet zusammen mit seiner Frau jährlich etwa zehn Millionen Euro für kulturelle und karitative Belange – nur sprechen sie nicht darüber.6 Mäzene von größerer öffentlicher Präsenz finden sich vorwiegend in der Kunstszene: Wer Kunst heute fördern will, kauft und sammelt sie gezielt. Und baut ihr neuerdings eigene Häuser, statt sie als Schenkungen oder Dauerleihgaben staatlichen Museen zukommen zu lassen.

Einer der bekanntesten Deutschen in dieser Reihe ist der Verleger-Sohn und Unternehmer Frieder Burda. Seine international renommierte Sammlung mit Schwerpunkten in der Klassischen Moderne und zeitgenössischen Kunst umfasst über 800 Werke und zählt zu den bedeutendsten Privatsammlungen Europas. 1998 gründete Frieder Burda die gleichnamige Stiftung, der er sein gesamtes Vermögen vermachte. Darüber finanzierte sich der 2004 in Baden-Baden eröffnete Neubau des Frieder Burda Museums mit 20 Millionen Euro, die laufenden Kosten trägt ebenfalls die Stiftung.7

Zu denen, die „Kunst nicht für den Keller sammeln“8, gehört auch Julia Stoschek. Die Gesellschafterin des Automobilzulieferers Brose erwarb sich in kürzester Zeit den Status einer der bedeutendsten jungen Kunstsammler Deutschlands. Sie ist Mitglied im Direktoren-Board des Kulturwerke-Trägervereins in Berlin und der Ankaufskommission für Medienperformance des Museum of Modern Art (MoMA) in New York, dem sie auch jährlich ein wichtiges Werk schenkt. Stoschek ist Jahrgang 1975 und nicht nur aufgrund ihres geringen Alters eine Ausnahmeerscheinung unter deutschen Sammlern: Nach US-Vorbild fördert sie Institutionen, unterstützt am MoMa maßgeblich die Ankäufe von Kunstwerken und bringt sich aktiv über die Partizipation an Diskussionen, eigene Ideen und Recherchen ein.9 Im Jahr 2003 initiierte die Mäzenin zudem das Künstlerstipendium Just zur Unterstützung junger KünstlerInnen.

Die Julia Stoschek Collection konzentriert sich auf Medienkunst, zu der die junge Sammlerin eine besondere Affinität hegt. 2007 eröffnete sie in Düsseldorf eigene Ausstellungsräume – nicht um der Selbstbeweihräucherung willen, sondern um die Kunst ihrer eigentlichen Bestimmung zuzuführen:10 Der Auseinandersetzung mit ihr.

Den gleichen Antrieb tragen auch die Ausstellungsräume der ehemaligen Galeristin Ingvild Goetz in München: Als Sammlerin und Förderin zeitgenössischer Kunst will sie die Öffentlichkeit an
ihrer Seherfahrung und ihrem Erkenntniszuwachs teilhaben lassen. Ihr Ziel ist es, mit guter Kunst Augen zu öffnen, politisch wie ästhetisch.11 Die Tochter von Werner Otto ist eine der international bekanntesten Kunstsammlerinnen, die Sammlung Goetz umfasst mittlerweile etwa 3.000 Werke. Neben dem Ausbau ihrer Sammlung ist, wie auch für Stoschek, der persönliche Kontakt zu den Künstlern, der im genuinen Verständnis des Mäzenatentums grundgelegt ist, ein besonderes Anliegen.

Die finanziellen Mittel für ihre Leidenschaft nimmt Goetz aus dem Galeriefundus und der Familie. Damit verfügt sie über ein überdurchschnittliches Jahresbudget von 500.000 Euro für ihre
Sammlung, das sie auch bedacht einhält.12 Zentrale thematische Momente der Sammlung sind der Mensch und die Gesellschaft. Ingvild Goetz engagiert sich zusammen mit ihrem Mann auch abseits der Kunst durch die Unterstützung zahlreicher sozialer Projekte weltweit. Der Wunsch, die Gesellschaft ein Stück weit mit zu gestalten und einen Beitrag zum Gemeinwohl zu leisten, steht meist als Motivation hinter bürgerschaftlichem Engagement.13

Bei Mäzenen im Besonderen spielt darüber hinaus neben der Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung die Verbundenheit zu den geförderten Inhalten eine tragende Rolle – bei Burda, Stoschek und Goetz die Liebe zur Kunst. Im Engagement für die Kunst finden sie Erfüllung und Sinnhaftigkeit, eine Bereicherung, an der die Öffentlichkeit teilhaben soll.14

 


 

1–Zitat Gitta Connemann, nach: Rainer Sprengel / Rupert Graf Strachwitz: Private Spenden für Kultur. Bestandsaufnahme, Analyse, Perspektiven. Maecenata Schriften 2, Stuttgart 2008. Hier: Vorwort.

2 –darunter fallen: einfache Geldspenden, Stiftungen, Mitgliedsbeiträge, finale Spenden, Unternehmensspenden und –beiträge, Sponsoring, nach einer Empfehlung des Maecenata Instituts auch Zeitspenden, da in die Zahlen der öffentlichen Kulturförderung auch Personalkosten einfließen.

3–Sprengel / Strachwitz: S. 20. Werte unter Einbezug der Zeitspenden; Werte ohne Zeitspenden zwischen 829 und 2.608 Millionen Euro.

4–Vgl. http://www.kulturkreativwirtschaft. de/KuK/Navigation/Finanzierung-Foerderung/sponsoring-undmaezenatentum, did=328968. html und 2. Hessischer Kulturbericht

5–Izabella Parowicz: Denkmalpflege effektiv fördern: Finanzierung des Schutzes von Architekturdenkmälern in europäischer Perspektive. München 2006. Hier: S. 175f. 6–Franziska V. Mutius: Preis für stilles Mäzenatentum. In: Die Welt, 28. Juni 2008.

7–Vgl. hierzu: David Scherf: Die ehrliche Freude an der Kunst. Auf: stern.de, 18. März 2008.

8–Ute Thon: Ich sammle Kunst nicht für den Keller. In: art. Das Kunstmagazin, Heft 4 / 2007.

9– Christoph Mohr: Julia Stoschek: Kunst statt Autoteile. In: Handelsblatt, 7. Dezember 2008.

10–Thon.

11–Susanne Schreiber: Immer den Menschen im Blick. In: Handelsblatt, 5. April 2005.

12–Katja Blomberg: Wie Kunstwerke entstehen: der neue Markt der Kunst. Hamburg 2005. Hier: S. 44.

13–Sprengel / Strachwitz: S. 72.

14–Vgl. Elisabeth Dostert: Auseinandersetzung als innere Notwendigkeit.“ In: Süddeutsche Zeitung, 19. April 2007. Ebenso: Scherf; Mohr.