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Fachbeitrag

Multisensuale Markenkommunikation für Kulturinstitutionen

Fachbeitrag von Prof. Dr. Lorenz Pöllmann

Marken werden überwiegend mittels visueller Informationen wie über Logo, Markenfarben oder ein signifikantes Verpackungsdesign kommuniziert. Sie können jedoch über weit mehr als nur optische Reize dargestellt werden. Welche Möglichkeiten sich hierfür bieten, ist eine Frage, mit der sich das multisensuale Marketing befasst. Unter multisensualem Marketing versteht man die „modalspezifische Erlebnisvermittlung einer Marke durch die gleichzeitige Ansprache mehrerer Sinne“ (vgl. Esch/Krieger 2009:10).

Insbesondere für Kulturinstitutionen ist die multisensuale Markenkommunikation von Interesse: Erstens sind Kulturbetriebe in der Regel Dienstleister und stehen damit vor der Herausforderung, eine immaterielle Leistung als Marke zu kennzeichnen. Zweitens haben diese Leistungen meistens den Charakter einer Veranstaltung und eignen sich dadurch besonders für den Einsatz multisensualer Markenkommunikation, da die Besucher der Events über mehrere Sinne angesprochen werden.

Der Einsatz von multisensualem Marketing basiert auf dem S-O-R-Verhaltensmodell, nach welchem Stimulusvariablen (S) wie beispielsweise Töne, Gerüche oder Farben in Abhängigkeit von der Persönlichkeit des Empfängers bestimmte Emotionen auslösen. Die durch den Organismus (O) des Empfängers erzeugten Emotionen führen schließlich zu einer Reaktion (R), die sich im Verhalten des Empfängers zeigt. (vgl. Knoblich et al. 2003: 23f.)

Abbildung 1: S-O-R-Schemata

Abhängig von den Stimuli können Synästhesien erzeugt werden: Synästhesien bezeichnen die Verbindung verschiedener Sinnesreize, die durch einen bestimmten Stimuli ausgelöst werden: Beispielsweise kann die Wahrnehmung einer bestimmten Farbe die Wahrnehmung eines bestimmten Geruchs auslösen.

Das Ziel des multisensorischen Marketings ist es, das Repertoire von Erfahrungen und Erinnerungen abzurufen, das mit bestimmten Stimuli verknüpft ist. Dadurch lassen sich mit wenigen Stimuli Assoziationen erzeugen, die die wahrgenommenen Eindrücke verstärken. Eine Studie von Frieling zeigt exemplarisch diese Verbindung verschiedener Assoziationen, die in diesem Beispiel an Farben geknüpft sind (siehe Tabelle 1).

Farbton

Hörsinn

Tastsinn

Temperatursinn

Geruch/Geschmack

rot

laut/Trompete

fest

warm/heiß

kräftig

rosa

zart/leise

fein

 

süßlich/mild

orange

laut/Dur

trocken/flammig

warm

herzhaft

braun

dunkel/Moll

trocken/schlammig

 

modrig/muffig

gelb

grell/Dur

glatt/lichthaft

 

sauer

grün

gedämpft

glatt bis feucht

kühl

sauer-saftig

grünblau

weich

weich-glatt

kalt

frisch bis salzig

blau

fern/Flöte bis Violine

glatt bis unantastbar

kalt

geruchslos

violett

traurig/Moll

samtig

 

herb-bitter

 Tabelle 1: Untersuchung der synästhetischen Wirkung von Farben (vgl. Frieling 1980:30)


Im Rahmen der multisensualen Markenkommunikation stehen uns im Wesentlichen fünf Arten von Sinneseindrücken zur Verfügung.

Hierzu zählen:

  1. optische Eindrücke (z.B. hell, dunkel, Farben)
  2. olfaktorische Eindrücke (z.B. fruchtig, frisch)
  3. gustatorische Eindrücke (z.B. salzig, sauer, bitter, süß)
  4. haptisch-somatische Eindrücke (z.B. warm, glatt, schwer, brennend)
  5. akustische Eindrücke (z.B. laut, leise) vgl. Knoblich et al. 2003: 14, Neumann/ Molnár1991:23)

 

Diese fünf Bereiche sollten im Folgenden kurz erläutert werden:

Optische Eindrücke

Die visuelle Markeninszenierung zählt zu den gängigsten Varianten sich darzustellen. Dies beginnt bei der Wort- oder Bildmarke einer Kulturinstitution und wird weiter definiert über die Verwendung einer einheitlichen Typografie sowie definierter Farben, die in einem Design Manual festgehalten werden. (vgl. Pöllmann 2011)

Darüber hinaus ist die visuelle Darstellung von Kulturinstitutionen in der Regel stark durch deren Gebäude und Architektur beeinflusst, die somit gewichtiger Teil der visuellen Markenerfahrung sind und sich aus diesem Grund auch oft im Logo einer Institution wiederfinden (z.B. Semperoper Dresden, Jüdisches Museum Berlin).

Zudem besteht die Möglichkeit, durch Signale, die eher unterbewusst wahrgenommen werden, die Stimmung eines Raumes und damit die Besuchssituation einer Kulturveranstaltung zu beeinflussen wie beispielsweise durch Licht (hell/dunkel) oder durch Farben.


Olfaktorische Eindrücke

Düfte werden mit dem Ziel eingesetzt, eine aktivierende, emotional anregende Atmosphäre zu schaffen oder spezifische Besuchserlebnisse zu vermitteln. Gerüche werden oftmals nicht bewusst wahrgenommen, zählen jedoch zu den wirksamsten Auslösern emotionalen Verhaltens (vgl. Kroeber- Riel et al. 2009: 146).

Die Bedeutung des Geruchs und dessen Verbindung zu gustatorischen Reizen erfahren Menschen, die an Anosmie, dem Verlust des Geruchssinns, leiden: Sie erleben nicht nur ihre Umwelt ohne die schönen Düfte sondern auch das Essen wird eintönig, da ohne Geruchssinn nur noch salzig, süß, bitter und sauer wahrgenommen werden kann (vgl. von Engelhardt et al. 2008: 213).

Auch Kulturveranstaltungen können ihre Rauminszenierung durch den Einsatz von Düften verbessern, beispielsweise durch Frischedüfte in den Hygienebereichen, um den Servicecharakter einer Kulturmarke zu unterstützen. Diese Form der Verstärkung ist bekannt aus Kaufhäusern, wo es z.B. in der Backabteilung intensiv nach frischem Brot riecht.

Zudem können sich Institutionen einen Hausduft geben, der sich an den eigenen Markenattributen orientiert. Dies kann von der Auswahl bestehender Ambientedüfte bis hin zur Kreation eines individuellen Raumparfums erfolgen. Eine Klassifikation der verschiedenen Düfte findet sich bei Jellinek/Jellinek wie folgende Abbildung zeigt:

 

Abbildung 2: Klassifikation der verschiedenen Düfte (Jellinek/Jellinek 1994: 89)

Vereinzelt wird die gezielte olfaktorische Inszenierung bereits im Kulturbereich eingesetzt: Während des Kulturhauptstadtjahres in Linz empfing das ArsElectronica Center seine Besucher mit einer Naturparfum-Komposition aus frisch-grünen Blättern. Die Stiftung Museum Kunstpalast wiederum wollte mit einer Duftinszenierung weniger ein einladendes Signal senden sondern vielmehr die Atmosphäre eines bedrückenden Exponats verstärken: Für die Ausstellung Artaud – Ein inszeniertes Leben wurde das Krankenzimmer des französischen Dichters, Schauspielers, Künstlers und Theatertheoretikers Antonin Artaud nachgebaut in dem die ätherische, kampferartige Mischung eines Apothekengeruchsversprüht wurde.

 

Gustatorische Eindrücke

Eng verbunden mit den olfaktorischen Reizen sind auch gustatorische Erlebnisse. Diese spielen insbesondere für die Serviceleistungen der Kulturbetriebe wie dem Catering eine große Rolle.

Beispiele für die gustatorische Inszenierung von Kulturleistungen gibt es von der bekannten Mozartkugel bis zur Konzertmilch des Konzerthauses Dortmund. Die Berliner Philharmoniker haben mit den Lunch Konzerten zudem ein eigenes Format entwickelt, das dem kulinarischen Genuss einen besonderen Stellenwert einräumt.

 

Haptische Eindrücke

Haptisch-somatische Reize umfassen alle Eindrücke, die über die Haut aufgenommen werden. Es geht hierbei also nicht nur um Oberflächenbeschaffenheiten sondern auch um die Wahrnehmung von Temperatur, Schmerz oder Druck.

Die Möglichkeiten der haptischen Inszenierung gehen somit weit über die Papierauswahl und Veredelungstechniken von Printprodukten hinaus. Das zeigt sich in der Kunstvermittlung: Dort sind Hands-on-Exponate, bei denen Besucher eines Museums selbst aktiv werden können, seit Langem beliebte Elemente einer Ausstellung.

Ein gelungenes Beispiel für die Inszenierung von Räumen unter Zuhilfenahme haptisch-somatischer Reize bietet das Dialogmuseum in Frankfurt (Main): In dem völlig abgedunkelten Museum orientieren sich die Besucher anhand ihrer anderen Sinne, insbesondere mittels haptischer und akustischer Reize ertasten sie sich den Weg durch das Museum.

 

Akustische Eindrücke

Ähnlich der olfaktorischen Reize haben auch akustische Signale – allen voran Musik – eine emotional stimulierende Wirkung, der man sich nur schwer entziehen kann. Musik und andere akustische Reize werden in Form von Audio-Logos eingesetzt, um eine Leistung oder ein Produkt zu markieren. Sie lassen sich unterteilen in Signets (ohne Text, z.B. C-Dur-Terz der Telekom), Kennmotive (Nennung des Markennamens, z.B. „Schneekoppe“) und Jingles (Slogans, z.B. „Wenn´s um Geld geht Sparkasse“) (vgl. Strötgen 2014: 69).

Darüber hinaus können mit dem Einsatz von Hintergrundmusik Räume inszeniert und die Stimmung der Besucher beeinflusst werden. Auch wenn sich bislang keine allgemeingültigen Wirkschemata für den Einsatz von Hintergrundmusik feststellen ließen (vgl. Kroeber- Riel et al. 2009: 145), so existieren bereits zahlreiche Studien, die vereinzelt Wirkungsweisen von Musik benennen konnten: So steigerte sich beispielsweise in einer Weinhandlung der Verkauf von Weinenaus Ländern deren landestypische Musik im Hintergrund lief (vgl. Areni/Kim 1993 in: Kroeber- Riel et al. 2009: 146). Zudem kann langsame Musik zu einer Verlangsamung in den Bewegungen der Besucher führen und damit die Aufenthaltszeit verlängern (Kroeber- Riel et al. 2009: 146).

Die akustischen Reize müssen natürlich nicht nur musikalischer Natur sein. Eine ganz andere Form der akustischen Inszenierung ließ sich in der Staatsoper unter der Linden erleben, in der zur Verlängerung der Nachhallzeit 1996 eine Mikrofon- und Lautsprecheranlage eingebaut wurde, die den Schall der Bühne aufnahm und wieder in den Raum zurückspielte. Im Zuge der Renovierung wird nun die Decke der Oper um fünf Meter erhöht, um die Akustik durch die Raumvergrößerung zu verbessern.

Basierend auf diesen fünf Dimensionen multisensualer Inszenierung stellt sich für Kulturinstitutionen die Frage, wo die Besucher mit ihren Leistungen in Kontakt kommen und wie ihre Leistung dargestellt werden kann. Dies kann mithilfe des Service Blueprintings geplant werden. Bei dieser aus dem Qualitätsmanagement stammenden Technik wird der Prozess der Leistungserstellung zunächst in einem Ablaufdiagramm dargestellt, wobei die einzelnen Phasen hervorgehoben werden, bei denen der Besucher einer Veranstaltung mit der Kulturinstitution oder deren Vertretern in Kontakt kommt (vgl. Gelbrich 2009). Für das Konzept eines multisensualen Blueprints wird zunächst die Kulturveranstaltung in mehrere Einheiten bzw. Phasen unterteilt, die Gäste einer Institution während ihres Besuchs durchlaufen. Auf Basis dieser Prozessbeschreibung können nun in einem weiteren Schritt die multisensualen Erlebnisse geplant werden, indem mögliche Reize für die einzelnen Sinne definiert werden, wie in Abbildung 3 gezeigt wird.

Abbildung 3: Auszug des Blueprint eines Museumsbesuchs

Das Ziel dieses Konzeptes ist es, einen Besuch unter Berücksichtigung aller Sinne stimmig und ansprechend zu gestalten. Dies bedeutet jedoch nicht, dass bei jedem Schritt immer alle Sinne gezielt angesprochen werden müssen. Vielmehr sollen bewusst unterstützende Akzente gesetzt werden. Gegebenenfalls hilft die Erstellung eines multisensualen Blueprints auch dabei, sich die multimodalen Möglichkeiten der Informationsvermittlung und Leistungsinszenierung bewusst zu machen und dadurch zu reflektieren, wie die olfaktorische oder akustische Situation in den gastronomischen Einrichtungen, dem Shop oder des Foyers gestaltet werden soll.

Abschließend bleibt festzuhalten, dass die Möglichkeiten der multisensualen Inszenierung nicht unkritisch als grundsätzlich empfehlenswert verstanden werden sollen. Nicht alles, was machbar ist, ist auch sinnvoll und zu viele Reize führen schnell zu Reaktanzen durch die Überforderung der Besucher oder weil diese eine Inszenierung als Manipulationsabsicht interpretieren. Besonders kritisch sind die Maßnahmen zu bewerten, wenn sie zur unbewussten Beeinflussung der Besucher eingesetzt werden. Auch dürfen die Inszenierungsbemühungen nicht der eigentlichen kulturellen Aussage und Leistung einer Institution zuwiderlaufen sondern müssen sich an diesen orientieren. Hier gilt es einen angemessenen Einklang von Inszenierung und dem Ziel der Authentizität zu finden. Die multisensuale Inszenierung kann das Profil einer Kulturmarke schärfen und das Erlebnis der Besucher bereichern. Für einige Einrichtungen mag bereits hilfreich sein, sich die gezeigten Möglichkeiten bewusst zu machen, um einige zusätzliche Impulse zu initiieren, die zu einem ganzheitlicheren Besuchserlebnis führen und damit auch die Kulturvermittlung unterstützen können.


Quellen

Esch, F.-R./Krieger, H. (2009): Multisensuale Markenkommunikation, USP: Menschen im Marketing 3, Berlin, 10 - 12

Frieling, H. (1980): Farbe hilft verkaufen, 3. A. Göttingen, Zürich

Gelbrich, K. (2009): Blueprinting, sequenzielle Ereignismethode und Critical Incident Technique. Drei Methoden zur Messung von Dienstleistungsqualität, in: Buber, R./Holzmüller, H. (Hrsg.): Qualitative Marktforschung, Wiesbaden, 617-633

Jellinke, P./Jellinek, J. S. (Hrsg.) (1994): Die psychologischen Grundlagen der Parfümerie. Untersuchungen über die Wirkungen von Gerüchen auf das Gefühlsleben, 4. A., Heidelberg

Knoblich, H./Scharf, A./Schubert, B. (2003): Marketing mit Duft, 4.A., München, Wien

Kroeber-Riel, W./Weinberg, P./Gröppel-Klein, A.(2009): Konsumentenverhalten, 9. A., München

Neumann, R./Molnar, P. (1991): Sensorische Lebensmitteluntersuchung, Leipzig

Pöllmann, L. (2011): Marke, in: Lewinski-Reuter, V./Lüddemann, S. (Hrsg.): Glossar Kulturmanagement, Wiesbaden, 233-239

Strötgen, S. (2014): Markenmusik, Würzburg

von Engelhardt, J./Inta, D. J./Monyer, H. (2008): Im Dschungel der Düfte: Geruchssinn und Gehirn, in: Spitzer, M./Bertram, W. (Hrsg.): Braintertainment, Stuttgart, 206-223